Damit medizinische Daten interoperabel von jedem System im Gesundheitswesen verstanden werden können, werden sie in einem festgelegten Format auf Basis internationaler Standards und Terminologien dokumentiert. In der Fachsprache spricht man hier von sogenannten Medizinischen Informationsobjekten, kurz MIOs. Dadurch wird der Austausch und die Verarbeitung der Daten zwischen einzelnen Akteuren innerhalb des Gesundheitswesens, unabhängig vom genutzten Softwaresystem, ermöglicht.
Medizinische Informationsobjekte
Interoperabilität dank einheitlicher Datenformate



MIO & ePA: ähnlich, aber nicht gleich
MIOs kommen unter anderem in Krankenkassen-Apps für Versicherte zum Einsatz, um beispielsweise den Impfstatus darzustellen. Wichtig ist hierbei, zwischen den MIOs und der elektronischen Patientenakte (ePA) zu unterscheiden, auch wenn die beiden im Grunde Hand in Hand funktionieren. In der ePA werden die medizinischen Daten einer Patient:in gespeichert und bestimmte Zugriffsrechte darauf vergeben sowie Daten hinzugefügt, aktualisiert oder entfernt. Die entsprechende Struktur dieser Daten wird von den MIOs festgelegt. Sie fungieren als Standard, der die Lesbarkeit, Speicherung und Verarbeitung der Daten für die verschiedenen Zugreifenden (behandelnde Personen und Versicherte) ermöglicht.
Das Konzept der MIOs stammt von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und wird in Zusammenarbeit mit Expert:innen stetig weiterentwickelt.
Schwarmintelligenz neu definiert: assistierte MIOs
Gesondert zu betrachten sind die sogenannten assistierten MIOs, die von externen Organisationen – Fachgesellschaften, Hochschulen oder Anbietern von IT-Lösungen – an die KBV herangetragen werden. Die KBV verfolgt mit dieser Möglichkeit eine Community-artige Entwicklung der MIOs, bei der viele Beteiligte mitarbeiten und so einen Beitrag beisteuern können.
Die Erstellung von assistierten MIOs wird von den Projektpartnern vorangetrieben und durch die KBV/mio42 unterstützt. Die KBV/mio42 übernimmt die Qualitätssicherung im Sinne der Vereinheitlichung von MIOs sowie die formale Festlegung des MIO.
Eine Kugel mit mehreren Schichten
MIOs kann man sich wie eine Kugel mit mehreren Schichten vorstellen, wobei sich die medizinische Information im Kern befindet und von einer Kodierungsschicht umhüllt wird. Die Information wird also in eindeutige Codes übersetzt. Die äußerste Schicht bildet eine XML/FHIR®-Ummantelung – diese ermöglicht den Austausch der Information zwischen unterschiedlichen Systemen.
Was ist FHIR?
In einem digitalisierten Gesundheitswesen muss es möglich sein, Daten der elektronischen Patientenakte (ePA) sowohl beim Hausarzt als auch beim Besuch einer Klinik und vom Versicherten selbst bearbeiten zu lassen, auszuwerten und zu durchsuchen, unabhängig von Sprach- und Ländergrenzen – die Definition von syntaktischer Interoperabilität. Aufgrund unterschiedlicher, nicht-kompatibler Formate findet dieser Austausch, beispielsweise zwischen Kliniken und Praxen, jedoch zurzeit nicht bzw. kaum statt.
Die Lösung hierfür: FHIR® (kurz für Fast Healthcare Interoperability Resources), der neueste Standard zum Datenaustausch zwischen unterschiedlichen Softwaresystemen im Gesundheitswesen. Im Gegensatz zu anderen Standards steht nicht ein bestimmtes Dokument im Vordergrund, sondern dessen Inhalte. Diese werden in FHIR® als Ressourcen bezeichnet (z. B. „Patient“) und enthalten nur kleinere Informationsmengen. Der Vorteil hierbei: Ressourcen müssen nicht wie Dokumente jedes Mal neu angelegt werden, sondern finden erneut Verwendung.
In sechs Schritten zum Ergebnis: Die Entwicklung von MIOs
In ihrer Entwicklung durchlaufen die MIOs verschiedene Phasen:
Ziel der Kennenlernphase ist es, das potentielle MIO-Thema kennenzulernen und die Möglichkeit einer Umsetzung zu prüfen. Am Ende dieser Phase hat die KBV entschieden, ob das MIO umgesetzt wird.
In dieser Phase findet ein enger Austausch zwischen der KBV/mio42 und den Projektpartnern statt. Die Ziele hierbei sind:
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Die einzelnen Prozessschritte und die erwarteten Ergebnisse zu erläutern
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Die Verteilung der Arbeitsschritte abzustimmen
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Den Phasenplan (Zeitplan) festzulegen
In dieser Phase werden die Arbeitspakete erfüllt und die Kommentierungsplattform für die Phase der Kommentierung bereitgestellt.
Die Erstellung eines MIO setzt sich aus drei wesentlichen Elementen zusammen:
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Das konzeptionelle Informationsmodell mit den dazugehörigen Anwendungsszenarien
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Die semantische Codierung der einzelnen Inhalte
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Die syntaktische Umsetzung in einer technischen Spezifikation
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Die Kommentierungsphase ist öffentlich. Jede Person oder Organisation kann die veröffentlichten MIO-Inhalte frei kommentieren. Durch diese breite Diskussion können wichtige Impulse gewonnen werden. Diese Phase dauert in der Regel sechs Wochen.
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Die Herstellung des Benehmens ist ein gesetzlich geforderter Schritt und im Vergleich zur Kommentierungsphase stärker reglementiert. In dieser Phase können fachlich relevante Organisationen Stellung zu dem MIO beziehen. Hierfür wird in der Regel eine Zeitspanne von vier Wochen gewährt.
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Danach folgt die Prüfung und Beantwortung der vorliegenden Kommentare bzw. Stellungnahmen.
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Der KBV-Vorstand legt die technische FHIR®-Spezifikation für ein MIO fest. Die Festlegung ist damit normativ und wird auf mio.kbv.de veröffentlicht.
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Zusätzlich werden der Eintrag des festgelegten MIO im Verzeichnis für IT-Standards im deutschen Gesundheitswesen (ina) sowie die Bekanntmachung zur Festlegung des MIO im Deutschen Ärzteblatt durch die KBV angestoßen.
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Nach der Festlegung eines MIO erfolgt die Umsetzung des MIO durch die Hersteller. Die Umsetzung wird von den Projektpartnern angestoßen.
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In dieser Phase beantworten KBV/mio42 und Projektpartner anfallende Supportanfragen zu beispielsweise technischen Spezifikationen.