Medizinische Informationsobjekte

Interoperabilität dank einheitlicher Datenformate

Damit medizinische Daten interoperabel von jedem System im Gesundheitswesen verstanden werden können, werden sie in einem festgelegten Format auf Basis internationaler Standards und Terminologien dokumentiert. In der Fachsprache spricht man hier von sogenannten Medizinischen Informationsobjekten, kurz MIOs. Dadurch wird der Austausch und die Verarbeitung der Daten zwischen einzelnen Akteuren innerhalb des Gesundheitswesens, unabhängig vom genutzten Softwaresystem, ermöglicht.

Dunkelblau umrandetes Symbol, auf dem MIO steht.
ePA

MIO & ePA: ähnlich, aber nicht gleich

MIOs kommen unter anderem in Krankenkassen-Apps für Versicherte zum Einsatz, um beispielsweise den Impfstatus darzustellen. Wichtig ist hierbei, zwischen den MIOs und der elektronischen Patientenakte (ePA) zu unterscheiden, auch wenn die beiden im Grunde Hand in Hand funktionieren. In der ePA werden die medizinischen Daten einer Patient:in gespeichert und bestimmte Zugriffsrechte darauf vergeben sowie Daten hinzugefügt, aktualisiert oder entfernt. Die entsprechende Struktur dieser Daten wird von den MIOs festgelegt. Sie fungieren als Standard, der die Lesbarkeit, Speicherung und Verarbeitung der Daten für die verschiedenen Zugreifenden (behandelnde Personen und Versicherte) ermöglicht.

Das Konzept der MIOs stammt von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und wird in Zusammenarbeit mit Expert:innen stetig weiterentwickelt.

Impfpass 1.1.0

Ein Beispiel für ein MIO ist der Impfpass. Er enthält verschiedene medizinische Informationen, wie Daten zum/r Patient:in, zum Impfstoff oder zu impfrelevanten Erkrankungen. Bestimmte Daten sind dabei auch für andere MIOs relevant. Aus diesem Grund hat die KBV sogenannte Basis-Profile definiert, die potenziell in allen MIOs Verwendung finden können, wie zum Beispiel „PatientIn, Körperkenngrößen oder die Diagnose“. So ist genau festgelegt, dass das Profil ‚PatientIn‘ in immer der gleichen Form beispielsweise den Namen, die Anschrift und das Geburtsdatum enthält.

Ende 2020 wurde der erste Covid-19-Impfstoff von der EMA (Europäische Arzneimittel-Agentur) zugelassen. Dies wurde zum Anlass genommen den elektronischen Impfpass zu überarbeiten und die Version 1.1.0 vom 25.01. bis zum 07.02.2021 zur Kommentierung zu stellen. Der Vorstand der KBV hat schließlich das MIO Impfpass 1.1.0 beschlossen.

Zahnärztliches Bonusheft 1.1.0

Sinn und Zweck des zahnärztlichen Bonusheftes besteht darin, einerseits den Versicherten an regelmäßige zahnärztliche Kontrolluntersuchungen zu erinnern, um Veränderungen bzw. Erkrankungen der Zähne und im Mundraum vorzubeugen bzw. frühzeitig zu erkennen und ggf. eine entsprechende Behandlung einleiten zu können. Andererseits hilft das Bonusheft Geld zu sparen, wenn Zahnersatz - eine Krone, Brücke oder herausnehmbare Prothese - notwendig wird.

Mutterpass 1.0.0

In Deutschland wurde im Jahr 1961 ein sogenannter Mutterpass eingeführt, um die Ergebnisse der Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft und nach der Entbindung festzuhalten sowie für alle beteiligten Personen (z.B. Schwangere, fachärztlich behandelnde Personen, mitbetreuende Hebammen) jederzeit bereithalten zu können. Den Mutterpass erhält eine werdende Mutter ab offizieller Feststellung einer Schwangerschaft. Derzeit liegt er noch in Papierform vor.

 Die digitale Form des Mutterpasses schützt vor einem Verlust von medizinisch relevanten Daten und erleichtert den Austausch von Informationen. Des Weiteren können Schwangere über ein Managementsystem an bevorstehende Untersuchungen erinnert werden oder Hinweise zu medizinischen Befunden und Maßnahmen bei entsprechenden Risikokonstellationen erhalten.

U-Heft 1.0.1

Mit der Geburt des Kindes erhalten alle Eltern das Kinderuntersuchungsheft - auch "Gelbes Heft" oder „U-Heft“ genannt - und bringen es zu den jeweiligen U-Untersuchungen (insgesamt zehn) mit. Es dient zur Dokumentation der Früherkennungsuntersuchungen. Mit den Untersuchungen können körperliche, geistige und psychosoziale Auffälligkeiten frühzeitig erkannt und Präventions- und Behandlungsempfehlungen abgeleitet werden.

Alle MIOs im Überblick

Festgelegte MIOs:

  • Impfpass 1.1.0
  • Zahnärztliches Bonusheft 1.1.0
  • Mutterpass 1.0.0
  • Mutterpass 1.1.0
  • U-Heft 1.0.1

MIOs in Bearbeitung:

  • Überleitungsbogen 1.0.0
  • KH-Entlassbrief 1.0.0
  • DiGA Toolkit 1.0.0
  • Patientenkurzakte 1.0.0

Mehr Infos hier.

Schwarmintelligenz neu definiert: assistierte MIOs

Gesondert zu betrachten sind die sogenannten assistierten MIOs, die von externen Organisationen – Fachgesellschaften, Hochschulen oder Anbietern von IT-Lösungen – an die KBV herangetragen werden. Die KBV verfolgt mit dieser Möglichkeit eine Community-artige Entwicklung der MIOs, bei der viele Beteiligte mitarbeiten und so einen Beitrag beisteuern können.

Die Erstellung von assistierten MIOs wird von den Projektpartnern vorangetrieben und durch die KBV/mio42 unterstützt. Die KBV/mio42 übernimmt die Qualitätssicherung im Sinne der Vereinheitlichung von MIOs sowie die formale Festlegung des MIO.  

KBV

Die KBV ist der Dachverband der 17 Kassenärztlichen Vereinigungen. Sie organisiert die flächendeckende wohnortnahe ambulante Gesundheitsversorgung und vertritt die Interessen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten auf Bundesebene. Rund 73 Millionen gesetzlich Krankenversicherte erhalten deutschlandweit die gleiche hochwertige medizinische Betreuung. Zu den wichtigsten selbstgesteckten Zielen gehört, die Bedingungen so zu verbessern, dass die Körperschaften den gesetzlichen Auftrag und die Verantwortung auch wirklich übernehmen können, die Versorgung sicherzustellen. Genauso sitzt die KBV bei Verhandlungen zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenkassen und zur Honorierung der Ärzte immer mit am Tisch.

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Mio42

Mio42 entwickelt in Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) die sogenannten „Medizinischen Informationsobjekte (MIOs)“, die digitale Antwort auf dringende Probleme in der Kommunikation des Gesundheitswesens.
Ihr Hauptanliegen besteht darin, Arztpraxen, Krankenhäusern, Laboren und vielen Institutionen und Personen im Gesundheitswesen über Softwaregrenzen hinweg den Austausch von relevanten Daten eines Patienten für die gemeinsame Behandlung (und zwar über die ePA) zu ermöglichen.

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Eine Kugel mit mehreren Schichten

MIOs kann man sich wie eine Kugel mit mehreren Schichten vorstellen, wobei sich die medizinische Information im Kern befindet und von einer Kodierungsschicht umhüllt wird. Die Information wird also in eindeutige Codes übersetzt. Die äußerste Schicht bildet eine XML/FHIR®-Ummantelung – diese ermöglicht den Austausch der Information zwischen unterschiedlichen Systemen.

Was ist FHIR?

In einem digitalisierten Gesundheitswesen muss es möglich sein, Daten der elektronischen Patientenakte (ePA) sowohl beim Hausarzt als auch beim Besuch einer Klinik und vom Versicherten selbst bearbeiten zu lassen, auszuwerten und zu durchsuchen, unabhängig von Sprach- und Ländergrenzen – die Definition von syntaktischer Interoperabilität. Aufgrund unterschiedlicher, nicht-kompatibler Formate findet dieser Austausch, beispielsweise zwischen Kliniken und Praxen, jedoch zurzeit nicht bzw. kaum statt.

Die Lösung hierfür: FHIR® (kurz für Fast Healthcare Interoperability Resources), der neueste Standard zum Datenaustausch zwischen unterschiedlichen Softwaresystemen im Gesundheitswesen. Im Gegensatz zu anderen Standards steht nicht ein bestimmtes Dokument im Vordergrund, sondern dessen Inhalte. Diese werden in FHIR® als Ressourcen bezeichnet (z. B. „Patient“) und enthalten nur kleinere Informationsmengen. Der Vorteil hierbei: Ressourcen müssen nicht wie Dokumente jedes Mal neu angelegt werden, sondern finden erneut Verwendung.

In sechs Schritten zum Ergebnis: Die Entwicklung von MIOs

In ihrer Entwicklung durchlaufen die MIOs verschiedene Phasen:

Ziel der Kennenlernphase ist es, das potentielle MIO-Thema kennenzulernen und die Möglichkeit einer Umsetzung zu prüfen. Am Ende dieser Phase hat die KBV entschieden, ob das MIO umgesetzt wird.

In dieser Phase findet ein enger Austausch zwischen der KBV/mio42 und den Projektpartnern statt. Die Ziele hierbei sind:

  • Die einzelnen Prozessschritte und die erwarteten Ergebnisse zu erläutern

  • Die Verteilung der Arbeitsschritte abzustimmen

  • Den Phasenplan (Zeitplan) festzulegen

In dieser Phase werden die Arbeitspakete erfüllt und die Kommentierungsplattform für die Phase der Kommentierung bereitgestellt.

Die Erstellung eines MIO setzt sich aus drei wesentlichen Elementen zusammen:

  • Das konzeptionelle Informationsmodell mit den dazugehörigen Anwendungsszenarien

  • Die semantische Codierung der einzelnen Inhalte

  • Die syntaktische Umsetzung in einer technischen Spezifikation

  • Die Kommentierungsphase ist öffentlich. Jede Person oder Organisation kann die veröffentlichten MIO-Inhalte frei kommentieren. Durch diese breite Diskussion können wichtige Impulse gewonnen werden. Diese Phase dauert in der Regel sechs Wochen.

  • Die Herstellung des Benehmens ist ein gesetzlich geforderter Schritt und im Vergleich zur Kommentierungsphase stärker reglementiert. In dieser Phase können fachlich relevante Organisationen Stellung zu dem MIO beziehen. Hierfür wird in der Regel eine Zeitspanne von vier Wochen gewährt.

  • Danach folgt die Prüfung und Beantwortung der vorliegenden Kommentare bzw. Stellungnahmen.

  • Der KBV-Vorstand legt die technische FHIR®-Spezifikation für ein MIO fest. Die Festlegung ist damit normativ und wird auf mio.kbv.de veröffentlicht. 

  • Zusätzlich werden der Eintrag des festgelegten MIO im Verzeichnis für IT-Standards im deutschen Gesundheitswesen (ina) sowie die Bekanntmachung zur Festlegung des MIO im Deutschen Ärzteblatt durch die KBV angestoßen.

  • Nach der Festlegung eines MIO erfolgt die Umsetzung des MIO durch die Hersteller. Die Umsetzung wird von den Projektpartnern angestoßen.

  • In dieser Phase beantworten KBV/mio42 und Projektpartner anfallende Supportanfragen zu beispielsweise technischen Spezifikationen.